03.01.2025 • 3 Minuten
Gardners Theorie der multiplen Intelligenzen hat sich im Bildungssektor längst einen Namen gemacht. Sie unterscheidet acht unterschiedliche Fähigkeiten und Fertigkeiten, über die jeder Mensch in unterschiedlichem Maße verfügen soll.
Aber was genau besagt diese Theorie und wie denkt die wissenschaftliche Gemeinschaft darüber? Wooclap bringt Klarheit in die Theorie der multiplen Intelligenzen, deren potenziellen Beitrag zu Lehrstrategien und ihre Kritikpunkte.
Howard Earl Gardner ist ein 1943 geborener US-amerikanischer Erziehungswissenschaftler. Nach seiner Promotion in Psychologie und Pädagogik beschäftigte er sich mit Hirnverletzungen. Dabei erkannte er, dass einige Patient:innen nicht zu intellektuellen Fähigkeiten wie Sprechen oder Rechnen zurückfinden konnten, gleichzeitig aber in der Lage waren, Musik zu lesen und zu spielen.
Daraufhin begann er, die Theorie der multiplen Intelligenzen zu entwickeln, deren Grundstein er 1983 legte. Diese geht davon aus, dass es verschiedene Arten von Intelligenzen und Fähigkeiten gibt – im Gegensatz zu den von ihm kritisierten klassischen Intelligenztests (IQ-Test).
Howard Gardners Theorie der multiplen Intelligenzen geht davon aus, dass jeder Mensch über acht verschiedene Formen von Intelligenz verfügt, die allerdings in unterschiedlichem Ausmaß vorhanden sind: Es gäbe also nicht nur die in IQ-Tests bewertete Intelligenz, die bestimmten Personen ein geringes Denkvermögen zuschreibt.
In seinem Buch Frames of Mind beschreibt Howard Gardner seine Auffassung von Intelligenz, und nennt die Merkmale, anhand derer sie als solche zu definieren ist:
● Intelligenz ist die Fähigkeit, ein bestimmtes Problem zu lösen.
● Intelligenz wird von der Gesellschaft als nützlich und wichtig bewertet.
Zu diesen Hauptkriterien fügt er noch weitere hinzu, z. B. die Tatsache, dass die Intelligenz einen bestimmten Weg durch das Gehirn (über Neuronen) zurücklegt und durch Zeichen (Buchstaben, Zahlen, Musiknoten etc.) kodiert werden kann.
Gardner beschreibt die intrapersonelle Intelligenz als Fähigkeit, die eigenen Gefühle, Stimmungen, Schwächen, Antriebe und Motive zu verstehen und zu beeinflussen und daraus die richtigen Entscheidungen abzuleiten.
Schüler:innen und Erwachsene, denen diese Form der Intelligenz zugeschrieben wird, sollten bei jeder gestellten Aufgabe die Ruhe und Konzentration suchen.v
Interpersonale Intelligenz bezeichnet die Fähigkeit, auch unausgesprochene Motive, Gefühle und Absichten anderer Menschen nachempfindend zu verstehen. Interpersonale Menschen bitten ihre Umgebung leicht um Hilfe und sind natürliche Leiter für Gruppenprojekte: Sie verstehen ihre Mitmenschen und gedeihen durch die Kooperation.
Gruppenarbeit ist im Rahmen der sozialen Intelligenz der Schlüssel zum Erfolg. Durch die interaktiven Tools von Wooclap können Sie die Zusammenarbeit leicht inszenieren und umsetzen: ****Dank der Fragetypen Brainstorming oder Wortwolken für den kollaborativen Unterricht sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt!
Die logisch-mathematische Intelligenz umfasst die Fähigkeit, Probleme logisch zu analysieren. Sie befähigt Kinder und Erwachsene, abstrakte Fragestellungen zu verstehen und entsprechende Lösungen zu finden.
Diese rational denkenden Menschen bevorzugen Analysen und Zahlen, um diese zu klassifizieren und zu kategorisieren.
Zur bildlich-räumlichen Intelligenz zählt der theoretische und praktische Sinn zum Erfassen von Strukturen und Räumen. Dies ermöglicht es den so befähigten Menschen, sich ein räumliches Bild von der Welt und den in ihr befindlichen Objekten zu machen.
Schüler:innen und Erwachsene mit einer ausgeprägten bildlich-räumlichen Intelligenz kommt das visuelle Gedächtnis beim Lernen zugute.
Menschen mit einer körperlich-kinästhetischen Intelligenz verfügen über das Potenzial, den Körper und einzelne Körperteile zur Interaktion mit ihrer Umgebung sowie zur Problemlösung einzusetzen.
Diese Art der Intelligenz wird oft Sportler:innen sowie Künstler:innen, Schauspieler:innen und Komiker:innen zugeschrieben.
Die sprachlich-linguistische Intelligenz wird im Bildungswesen in der Regel besonders geschätzt. Sie umfasst die Sensibilität für die gesprochene und geschriebene Sprache, die Fähigkeit zum Erlernen von Fremdsprachen sowie die Fähigkeit, Sprache zu bestimmten Zwecken zu gebrauchen.
Musikalische Intelligenz umschreibt die Begabung zum Musizieren und Komponieren sowie den Sinn für Rhythmus und Melodien.
Menschen mit musikalischer Intelligenz können musikalische Prinzipien nutzen, um Sachverhalte zu verstehen und zu verinnerlichen.
Die naturalistische Intelligenz umfasst die Fähigkeit, Naturphänomene wie beispielsweise verschiedene Tiere, Pflanzen und Mineralien zu beobachten, zu erkennen und zu unterscheiden. Menschen mit naturalistischer Intelligenz zeichnen sich durch eine gute Beobachtungsgabe und ein besonderes Verständnis für die Natur aus.
Obwohl sie im Bildungswesen viel Anklang findet, stößt Gardners Theorie der multiplen Intelligenzen in der Wissenschaft auf Kritik. Im Folgenden gehen wir auf die Gründe ein.
Zunächst einmal heben die wissenschaftlichen Kritiker hervor, dass die pädagogische Anwendung dieser „Theorie” (schon der Begriff wird kritisiert) auf moralische Werte wie die Einbeziehung aller Kinder und die Würdigung aller Fähigkeiten zurückzuführen ist.
Ohne diese Werte an sich als negativ einzustufen, reiche diese Bewertung demzufolge nicht aus, um Gardners Idee als wissenschaftlich fundierte Theorie anzuerkennen.
So erinnert der französische Mathematiker Nicolas Gauvrit in seinem Podcast “Scepticisme scientifique” („Wissenschaftlicher Skeptizismus”) an die Merkmale, die Gardners Denken von einer verifizierten These unterscheiden:
● Die Theorie ist nicht (oder nur unzureichend) experimentell, wodurch eine tatsächliche Überprüfung nur schwer durchführbar ist (Gardner selbst ist Studien übrigens abgeneigt, da er nicht auf die von ihm kritisierten IQ-Tests zurückgreifen möchte).
● Da sie nicht verifizierbar ist, ist auch eine Falsifizierung unmöglich – man kann also nicht beweisen, dass die Theorie falsch ist.
● Howard Gardner änderte die Zahl der multiplen Intelligenzen mehrmals und konnte damit keine zeitlich stabile Theorie vorlegen.
Schließlich widersprechen fundierte wissenschaftliche Experimente bestimmten Aspekten der Theorie: So stellt Gardner die Behauptung auf, dass man diese acht Formen der Intelligenz trennen und unterscheiden kann, während unterschiedlich ausgelegte IQ-Tests übereinstimmend zeigen, dass sie untrennbar miteinander verbunden sind (z. B. emotionale und kognitive Intelligenz).
Heute wird Gardners Theorie der multiplen Intelligenzen zunehmend als sogenannter Neuromythos betrachtet – als weitverbreitete, aber falsche Vorstellung davon, wie das menschliche Gehirn funktioniert.
Gemäß der Theorie des Forscherteams Rita Dunn und Kenneth J. Dunn (Teaching Students Through Their Individual Learning Styles, 1978) bezeichnen Lernmethoden „die Art und Weise, wie Lernende sich mit neuen und komplexen Informationen auseinandersetzen, sie verarbeiten und verinnerlichen”.
Während Lernprozesse also den individuellen Lernprozess charakterisieren, bezeichnen multiple Intelligenzen die zunächst angeborenen und später erarbeiteten Fähigkeiten eines Individuums.
Sich selbst zu kennen, ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Entwicklung. Die Anwendung der Theorie der multiplen Intelligenzen ermöglicht es uns, herauszufinden, wie wir denken und lernen. So kann sie uns helfen, unsere Stärken optimal zu nutzen – durch visuelle oder auditive Lehrmaterialien, manuelle Hilfsmittel, Ruhe und Konzentration oder den Austausch mit unseren Mitmenschen.
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